Liebe Leser und Leserinnen
Der Herr ist auferstanden, Halleluja! Er ist wahrhaftig auferstanden, Halleluja!
Diese Bilder stammen aus ein und demselben Gottesdienst - unserem Familien-Ostergottesdienst 2024 unter dem Motto: Ostern als Lichtpunkt für die bedrückenden Seiten des Lebens erfahren. Man muss schon eine Weile hinschauen, um die Details zu erkennen.
Das erste Bild: Die Sicht auf den Altar ist unangenehm blockiert. Das sieht nicht gerade schön aus. Ein Holzgestell mit schwarzem Tuch, stabilisiert durch Steine. Nicht sehr ästhetisch. Davor einsam das Mikrofon. Es wartet, dass etwas hindurch gesprochen wird. Es sieht alles etwas verlassen aus. Das mussten die GottesdienstbesucherInnen aushalten, als sie zum Familiengottesdienst, der von Jugendlichen und Erwachsenen gemeinsam vorbereitet war, in die Kirche kamen. Es hat auch eine Weile gedauert, bis sich das Bild veränderte. Die erste Veränderung war keine Verschönerung. Die Erwachsenen aus der Gemeinde banden an das Gestell Knoten als Symbol für all das, was uns schmerzt und was uns Knoten im Hals und Bauch bringt. Immer noch war keine Schönheit im Spiel. Die Schönheit kam erst, als die zwei Frauen ans Grab kommen und das Unfassbare vorfinden: Das Grab ist leer! Beide Frauen rufen: Der Herr ist auferstanden, Halleluja!

Das schwarze Tuch wird entfernt. Das Bild lichtet sich. Der Blick auf den Auferstandenen im Altar wird besser, wenn auch noch nicht ganz klar. Es ist ja auch erst der Anfang. Die Botschaft muss noch Kreise ziehen. Kinder kommen und stecken in das Gestell Blumen neben die Knoten. So entsteht das zweite Bild, das Sie hier sehen. Wir sind miteinander einen Weg gegangen, den Weg von verknoteter Angst zu verheißungsvoller Blüte.

Jetzt kommt der Sommer! Wo ich das schreibe, schwanken die Temperaturen zwischen 25 Grad und 7 Grad. April eben, könnte man sagen und doch: Irgendwie seltsam. Wo war der Winter? Wirklich lange Schneephasen gab es nicht. Zweimal musste ein bisschen was vor der Garage weg. Wir beobachten das von Jahr zu Jahr! Das ist ein bleibender Knoten, den keine Blume wegmachen kann. Deshalb haben wir die Knoten auch nicht abgenommen, als die Kinder mit den Blumen kamen. Knoten können nicht einfach weggeredet werden. Viele Menschen aus unserer Gemeinde haben rund um Ostern einen Menschen verloren. Da hilft erst einmal keine Blume. Es bleibt ein Knoten im Hals, bis es langsam wieder heller werden kann. Jeder und jede in seinem/ihrem Tempo. Zugleich haben wir in diesem Frühjahr viele Taufen. Das Leben blüht. Glückliche Paare kommen mit ihren Zwutschgerl ins Pfarrhaus und sitzen an demselben Tisch wie zuvor eine trauernde Familie. Manchmal am gleichen Tag. Da ist dieser Tisch wie das Gestell im Gottesdienst. Knoten und Blumen, Trauer und Glück, Tod und Leben dürfen hier sein. An diesem Tisch sitzen auch die KonfirmandInnen und die SeniorenInnen vom Frauenkreis.

Liebe Leser und Leserinnen, das ist die Kraft von Gemeinde. Dass alles in unserer Gemeinschaft seinen Raum haben darf. Das ist christliche Gemeinschaft, dass wir versuchen, die Knoten unserer Nächsten wahrzunehmen und zu respektieren. Und wenn es passt, stecken wir eine Blume dazu, mit der wir sagen: Schau, es gibt Schönes in der Welt! Vielleicht wirfst du mal einen Blick darauf, dass dein Knoten im Hals sich lockern kann.
Liebe Leser und Leserinnen, bei allem, was Ihnen in diesem Sommer begegnen mag: Ich wünsche Ihnen den Glauben im Herzen, dass das Licht in der Dunkelheit eine Chance hat. Ostern hat es gezeigt.

Ihre Pfarrerin
Jessica Warnke-Stockmann